Das Lustprinzip ist ein Begriff der klassischen psychoanalytischen Theorie Sigmund Freuds. Er bezeichnet das Streben des "Es" nach sofortiger Befriedigung der ihm innewohnenden angeborenen Bedürfnisse (s. Freud - Einführung).

Dafür, das Verlangen des Es nach Lust in der Umwelt zu verwirklichen, obzwar sich ihm dort Gefahren entgegenstellen, ist das Ich zuständig. Es stellt also die Aufgabe dieser 'geistigen' Instanz dar, die Faktoren der umgebenden Realität nach den Kriterien der Brauch- und Unbrauchbarkeit zu unterscheiden und sodann den Gesamtorganismus im Sinne der Stillung seiner Bedürfnisse steuern. So wird das im "Es" beheimatete Lustprinzip  nicht etwa vom Realitätsprinzip des "Ich" ersetzt – wie oft irrtümlich angenommen -, sondern ergänzen sich beide Instanzen:
Die im Es existierenden Empfindungen werden vom Ich als Lust- und Unlustempfindungen wahrgenommen und bewusst. Das Ich ist bestrebt, dem Es gegenüber die Außenwelt zur Geltung zu bringen und das Realitätsprinzip an die Stelle des Lustprinzips zu setzen. Dabei ist entscheidend, dass es den Zugang zu den Muskelbewegungen kontrolliert. Das Es ist jedoch stärker als das Ich; das Ich pflegt den Es-Wille in Handlung umzusetzen, als ob es der eigene wäre.“ Freud, Das Ich und das Es, S. 294
Allerdings gehen die von der Moralerziehung bedingten Strafängste gegenüber manchen der Triebforderungen des Es einher mit dem Ausbruch neurotischen Leidens. Erziehung bedeutet: gewaltsame Verdrängung des Es-Wille ins Unbewusste. Insofern scheint das Phänomen der Kultur  grundsätzlich einen "Triebverzicht" zu forden - ein Sachverhalt, der seiner krankmachenden Wirkung wegen  den Entwurf der Psychoanalyse veranlasste. Sie untersucht nicht nur das Wesen der Lust, sondern bietet Rat- und Hilfesuchenden auch eine psychotherapeutische Methode. Deren Ansinnen fasst Freud in seinem berühmt gewordenen Aphorismus zusammen: "Wo Es war (das Triebleben ins Unbewusste verdrängt), soll (es dem) Ich (wieder bewusst) werden.


Lust- und Realitätsprinzip ('Es und Ich') sind für Freud eng mit dem Lebens- und Todestrieb verbunden. Auch Eros und Thanatos genannt verkörpert dieser Anatagonismus das "Zusammenfügende" und das "Zerlegende Prinzip". Die Synthese gegenüber der Analyse.

Beides findet sich in den Vorgängen des Denkens nicht weniger als in denen der Verdauung: Zuerst werden die Nahrungsbrocken im Magen durch dessen Säure zerlegt ('thanatisch analyisert), dann die dadurch frei gesetzten begehrten Stoffe dem Organismus integriert (Synthese).

Dies doppelte Prinzip wohnt der Libdio inne (Freuds Begriff für "universale Triebenergie"). Es ist also ein Bestandteil der gesunden Seele, in der als solcher keine krankhaften Fixierungen der Energie zu entdecken sind.

Die Entdeckung des Lebens- und Todestriebes stammt ursprünglich von Heraklitt, beispielsweise diesem seiner Gedanken:
"Der Name des Bogens ist Leben (das Zusammen'kleben'), sein Werk der Tod (das Zerschneiden)." Heraklit ist auch der Entdecker des "Alles Fließt" - ein Begriff, der die vitale energetische Dynamik der gesunden Seele umschreibt und definiert.



Inhaltsverzeichnis

  • 1 Das antagonistische Wesen der Libido
  • 2 Die Vielgestaltigkeit des Lustprinzips der Libdio
  • 3 Das Lustprinzip
  • 4 Die Triebökonomie

 

Das antagonistische Wesen der Libido

Das Strukturmodell (3-Instanzen-Modell) der Seele nach Freud, ergänzt um die 6 dem Es immanenten Bedürfnisse

Die Herkunft aller Formen der Lust, die auf der biologischen Ebene erkennbar werden, sah Freud in einer universalen, triebenergetischen Lebenskraft, die er Libido nannte, vergleichbar mit dem Prinzip des „élan vital“ (lebendige Begeisterung) Henri Bergsons. An sich monistisch, äußere sich diese als solche empirisch unmessbare Energie ab dem Moment ihrer Verwirklichung dualistisch, d. h. nimmt nach Freud ebenso zeit-räumliche wie geist-körperliche Formen und Verhaltensweisen an - Aspekte, die sich auch in weiteren antagonistischen Begriffen finden, so unter anderem Psyche und Physis, oder Ich und Über-Ich. Beide sind harmonisch vereinigt im konkreten Es.

Die Libido belebt diese Seelenstruktur mit ihrer energetischen Dynamik, indem sie sich zuerst in den Erkenntnis- und Handlungsdrang aufspaltet, durch die der Organismus seine geist-körperlichen Funktionen erfüllt. Das Ich nimmt hierbei die Bedürfnisforderungen der Libdido innerlich als "Gefühle" wie z.B. Hunger wahr und sorgt für ihre Befriedigung, indem es die Faktoren der äußeren Realität nach dem Kriterium der Brauch-/Unbrauchbarkeit differenziert, den Muskelapparat dementsprechend lenkend (s. Zitat eingangs). Die ursprüngliche Harmonie tritt also erst dann wieder wieder ein, da dem Ich gelingt, das Gleichgewicht zwischen den sich mit Unlust meldenden Grundbedürfnissen und der lustvollen Befriedigung des ihnen innewohnenden Begehrens herzustellen. Diese Dynamik kann als ein energetischer Kreislauf vorgestellt werden,  wie abgebildet in obiger Grafik. Diese Dynamik miteinbegreift außerdem das Prinzip der "Triebökonomie". [4] darüber hinaus einen Aspekt, den das  folgenden Kapitel erörtert:


Die Vielgestaltigkeit des Lustprinzips der Libdio

Entgegen einem verbreiteten Irrtum sieht Freud die Libido in seinen späteren Werken nicht mehr - wie zu Beginn seiner Forschungsarbeit - als ausschließlich maßgeblich für das sexuelle Lustempfinden, sondern gelangt zu dem Ergebnis, dass diese Energie in jeder Art von Bedürfnissen oder Mängeln wirke, die ein Lebewesen ausgleichen muss, um sich und seine Art zu erhalten. Die in den anfänglichen Werken Freuds vertretene Hypothese einer nur in den Lustempfindungen des sexuellen Verhaltens wirkenden Libido erklärt sich aus der Vielzahl von Patientinnen, die an dem zu Zeiten der Victorianischen Epoche weit verbreiteten Problem der sogenannten Hysterie litten und deren Traumsymbole – wie mittels ihrer Freien Assoziationen deutlich wurde – regelmäßig zu jenen genitalen Bedürfnissen verwiesen, die der Problematik wegen ins Unbewusste verdrängt waren. (Dass die Frauen vom Es-Wille auf diesem Gebiet oft kein bewusste Kenntnis hatten - da infolge der streng lustfeindlichen Erziehung ins Unbewusste traumatisch verdrängt -, gehört mit in den Themenkreis der neurotischen Hysterie.)
Aus Beobachtungen von Kleinkindern und jenen untersuchten Träumen seiner Klienten, die zu dieser psychischen Entwicklungsphase verwiesen, schloss Freud bald auf ein von Geburt an bestehendes Luststreben. Dies erschien ihm als so vielgestaltig und unspezifisch, dass er bald für erforderlich hielt, seine anfängliche Auffassung der Libido als rein sexuelle (Lust-)Energie zu revidieren. Stattdessen prägte er zur Benennung des kindlichen Lustverhaltens den aus heutiger Sicht wiederum irreführend anmutenden Begriff der „polymorphen Perversionen“ - eine Maßnahme, die Freud aber ergriff, um von seinen zeitgenössischen Fachkollegen überhaupt annähernd verstanden zu werden. Während dieser Epoche wurde Kindern das Vermögen zu Lustregungen konsequent abgesprochen, von der Religion nicht weniger wie von der Wissenschaft. Die Kindheit war als „asexuell“ definiert, als unschuldiger Engelszustand im Sinne der kirchlichen Lehre. (Diese vergleichsweise extrem lustfeindliche Einstellung der Victorianischen Epoche steht im engen Zusammenhang mit dem wie o.g. damals weit verbreitet gewesenen Phänomen der Hysterie.)
Die sogenannten polymorph-perversen[Anm 1] kindlichen Regungen äußern sich nach Freud nicht nur in der Befriedigung über die Geschlechtsorgane (Onanie bereits in der Wiege, Doktorspiele), sondern ganz allgemein in jeder Form des Lustgewinns durch Körperkontakt (Haut an Haut zu mehreren, allein an Gegenständen sich reiben, Saugen, Nuckeln mit und ohne Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, Nasebohren usw.). Schon Ansätze von Lustfeindlichkeit durch die Moralerziehung führen Freuds Theorie zufolge zu einer traumatischen Einschränkung der natürlichen Antriebe und somit zum seelischen Leiden an einer neurotischen Erkrankung.


Das Lustprinzip

Freud wurde auf dem Wege der Traumanalyse zur Formulierung des Lustprinzips geführt, so wurde für ihn seine neue Methode der Traumdeutung der Königsweg in das Unbewusste. Das Anstreben von Lust und das vernunftgelenkte Meiden von Unlust verkörpern die zwei elementarsten Aspekte der Libido, wobei Lust- und Realitätsprinzip - wie Es und Ich - komplementäre Funktionen bilden. Das Lust- und Realitätsprinzip wirken gemeinsam, sowohl bei der Stillung des Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme zur unmittelbaren Lebenserhaltung, wie auch in der sexuellen Lustbefriedigung zur arterhaltenden Vermehrung, ferner in der Befriedung geistiger Lust (Wissensdurst), im Sozialen und in den Bereichen aller weiteren Bedürfnisse, die als naturgemäß denkbar sind.
Ein unbefriedigtes Grundbedürfnis ist reines Begehren, ein Mangel, der kompensiert sein will. Er erzeugt wesensmäßig energetische Spannungen, die entweder auf eher körperlicher oder auf eher geistiger Ebene spürbar werden; je nachdem, welches Bedürfnis es war, das unbefriedigt blieb. In Frage kommen z. B. Einsamkeitsspannungen infolge sozialer Frustrationen, oder Unsicherheit infolge eines Sachverhaltes, der (geistig) nicht geklärt wurde; ebenso "Hunger" als die vielleicht reinste Form des immer auf Triebenergie reduzierbaren Verlangens. Jedes der Bedürfnisse verlangt auf seine je eigene Weise nach Befriedigung (Lustgewinn bis zur Stillung des Begehrens).


Die Triebökonomie

Den inneren Meldungungen der Bedürfnisse von Seiten des Es, und der Aufgabe des Ichs, in der Umwelt deren Befriedung zu erlangen, legte Freud des Weiteren ein Prinzip zugrunde, das er als Triebökonomie[5] bezeichnete: Die Energie investiert zunächst etwas von sich selbst, um beim Ich die Wahrnehmung eines Unlustgefühls wie z. B. Hunger zu erzeugen. Erst dies veranlasst den Organismus – d. h. sein "Ich" – nach den zu ihrer Stillung geeigneten Objekten zu suchen, wobei im Erfolgsfall als ein Aspekt des Mehrwertes, den die Investition abwirft, Lust gewonnen wird. Der begleitende Aspekt besteht im genannten Beispiel aus der Aufnahme von Nahrung, woraus sowohl Energie als auch die Bausteine gewonnen werden, die der Gesamtorganismus für die Aufrechterhaltung seines Stoffwechsels und die seelischen Funktionen braucht. Hierzu zählt dann nicht zuletzt die neurosynaptische Internalisierung jener Erfahrungen, die das Ich bei der Verwirklichung seiner Aufgaben macht, und zwar in ein Organ, das Freud das Über-Ich genannt hat, der großen Macht wegen, die die Inhalte der Erfahrungen über das Ich haben. Das Überich stellt nicht nur das Gedächtnis des Lebeswesens dar, sondern zugleich auch sein "Gewissen".

Das ICH/Bewusstsein hat vor allem die Aufgabe, nach Klarheit in sich - auch in Hinblick auf die Inhalte seines Über-Ichs - und nach äußeren Begebenheiten zu suchen, die den Bedürfnissen des Es entgegen kommen: So sind Menschen also fähig, im wechselseitig fruchtbaren Austausch die sozialen Spannungen abzubauen, die sich aus einer vorherigen Frustration ergaben, oder auch sich um Nahrung zu kümmern, bei der sich über deren Einverleibung die Lust einstellt.